Das Geisterschiff by Egyd Gstättner

Das Geisterschiff by Egyd Gstättner

Autor:Egyd Gstättner [Gstättner, Egyd]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien
veröffentlicht: 2015-05-03T16:00:00+00:00


7. BILD

PENSION FORTINO

(SILVESTER 1925)

Das Fortino zu malen, lag auf der Hand. Emmas Lebenswerk. Unser Zuhause. Das Fortino hat mein Leben verändert, mein Leben geprägt, mein Leben zerstört. Alles habe ich hier gefunden, alles verloren. Man kann sagen: Das Fortino ist mein Schicksal. Jetzt könnte ein miesmacherischer Kunstweltrichter daherkommen und sagen: Man muss doch immer etwas Neues wollen! Einen Aufbruch wagen! Mit dem Aquarell des Hotels seiner lieben Gattin wird der alte Auchentaller die Kunstwelt auch nicht mehr erschüttern, und sei das Bild noch so liebreizend und gelungen! Ich würde dann antworten: Ich weiß. Aber das macht nichts. Ich male trotzdem weiter, wie es mir passt. Ich habe mit den Jahren schon begriffen, dass niemand mehr etwas von mir wissen will. Dass mir alle Bedeutung gestohlen worden ist. Unser Fledermausgoethe hat einmal gesagt: Bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr ist jeder außergewöhnliche Mann Anarchist. Ich möchte hinzufügen: Ab seinem sechzigsten Lebensjahr ist jeder außergewöhnliche Mann Nihilist.

Es gibt Nächte, in denen ich schweißgebadet aufwache und denke: Ich habe alles falsch gemacht in meinem Leben. Alles! Von Anfang an! Jede Entscheidung die falsche Entscheidung. Eine Kette falscher Entscheidungen. Aber es gibt kein Zurück mehr. Ich weiß, was falsch war. Aber das Richtige ergibt sich daraus nicht. Ich erschieße mich jeden Abend vor dem Einschlafen. Aber ich sterbe nicht.

Niemand will etwas von mir, und ich will nichts von niemandem. Keiner aus der Kunstwelt da draußen hat für mich auch nur die geringste Bedeutung. Mein Verhältnis zur Welt ist geklärt. Es gibt keines. Das macht das Existieren einfacher. Selbst in Grado haben sie jetzt andere Grado-Reklameplakate, Codognato und sogar Dudovich! Na habe die Ehre! Das Bürschchen! Das Früchtchen! Na, egal. Dudovich hat sich nicht entblödet, uns sogar im Fortino aufzusuchen, von den alten Zeiten zu schwärmen und Emma noch einmal den Hof zu machen! Emma ist kein Mädchen mehr, und sie blieb reserviert und höflich. Ganz elegante Dame hielt sie Dudovich den Handrücken zum Kuss hin. Um ihren rechten Knöchel wand sich ein goldenes Kettchen. Schutzmacht hin, Schutzmacht her, auch die Freundschaft zu Biagio kann nichts daran ändern, dass wir in Italien sind – und ich bin kein Italiener. Seebad Grado und Österreichisches Küstenland sind Vergangenheit und Geschichte, aber Realität sind sie längst nicht mehr. Geschichte, das heißt ja Wahrheit ohne Wirklichkeit. La Spiagga del Mitteleuropa! Na, meinetwegen! Aber Mitteleuropa ist für mich ein meteorologischer Begriff!

Ich bin der Welt abhanden gekommen, Wien abhanden gekommen, sogar Grado abhanden gekommen. Aber das Fortino braucht mich. Sechshunderteinundachtzig Personen sind heuer abgestiegen. Sechshunderteinundachtzig! Das ist Gästerekord! Zweihundertsiebzig Gäste mehr als noch vor zwei Jahren! Nicht einmal in den goldenen Jahren vor dem Krieg hatten wir so viel Zuspruch. Da braucht man von Zeit zu Zeit natürlich auch neues Werbematerial, neues Ansichtsmaterial. Letztes Jahr hatten wir sogar eine Werbung auf Tschechisch geschalten. PENSIONE FORTINO. Podloubi a terasy smerem k mori. Nadherna zahrada. Pokoj se stravou od. 30 Lir vyse. Majitelka Emma Auchentaller. Der Erfolg gab uns recht. Emma gab er recht. Gibt er recht.

Ein Kunsthistoriker könnte später einmal vielleicht behaupten, in



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